
Thomas
Jetzt ist es passiert. Thomas, der junge Mann, von dem ich im September 2023 geschrieben habe, ist gestorben. Mit 50 Jahren.
Allen war es klar, das war der unvermeidliche Weg.
Und doch … jetzt, wo es geschehen ist, wirkt es so unwirklich.
Fast bis zuletzt war er voller Tatendrang, hatte Pläne … aber auch zunehmende Schmerzen. Diese wurden immer wieder aufs Neue mit Medikamenten eingestellt. Und wieder ging es ihm eine zeitlang gut. Später nur noch kurze Zeit, aber für ihn wertvolle Zeit.
Er konnte seine Pläne erstmal weiter verfolgen:
Erinnerungen
Da war der 50.Geburtstag, an dem wir ihm morgens ein „Happy Birthday“ geschmettert haben, mit einem kleinen Kuchen und einer Kerze. 🎂
Es war ihm so unangenehm. Das hat er zwar nicht gesagt, aber die Gesichtsfarbe und der verlegene Ausdruck verrieten ihn.
Seine Freunde hatten eine kleine Party ein paar Tage später organisiert zu seinem Geburtstag, die er so sehr genoß, sich, das Leben und seine Freunde feierte. Glücklich und zufrieden kam er an diesem Abend zurück ins Hospiz. In seine heimelige Oase. Um zur Ruhe zu kommen und Kraft zu tanken für die nächsten Events.
Mehrere Spiele der Eishockey-Füchse aus Duisburg besuchte er mit Freunden, Konzerte standen auf der Bucket Liste. Und immer wenn er wieder zurück kam, berichtete er uns mit seinem einnehmenden Lächeln von den wunderbaren Dingen, die er erlebte, die Freunde und Familie ihm ermöglichten. Und man bekam das Gefühl, dabei gewesen zu sein.
Dabei sprach er seinen Mix aus schwäbisch und hessisch manchmal so schnell, dass wir ihn kaum verstanden. Wir nickten dann einfach mit einem Lächeln, sagten „Ja, ja“ und lächelten weiter. Ob er es bemerkt hat? 🤔
Interview für die Zeitung, Lego …
Auch in die Stadtwerke Zeitung schaffte es Thomas. Er war so unkompliziert und offen für alles. Das Interview zu diesem Artikel, in dem es um Leben im Hospiz geht, hat er souverän gemeistert mit seiner lebenbejahenden Art.
Lego Technics war eine seiner großen Leidenschaften. Er baute die großen Bagger, Kräne und Raupen mit stoischer Geduld. Und war stolz wie Oskar, waren sie endlich fertig. Eines dieser Fahrzeuge ließ er mit einer Fernsteuerung auf dem Hospizflur fahren und hatte Spaß wie Bolle. Und wir dachten es landet ein Ufo. 😅
Immer an seiner Seite seine Seelenverwandte, die ihn bei allem unterstützte, auch mal bremsen musste, wenn er sich ein wenig überschätzte oder seinen Willen unbedingt durchsetzen wollte. Sie war einfach immer da! In guten wie in schlechten Zeiten! Sie war seine Freundin, seine Mahnerin, aufmerksame Beobachterin, seine Managerin, sein Halt.
Nähe
Auch viele meiner Kollegen und Kolleginnen waren ihm sehr nah, von Anfang an. Bei uns beiden dauerte es ein wenig, da ich immer versuche die professionelle Distanz einzuhalten. Es lässt mich manche Dinge etwas besser aushalten. Lange klappte das allerdings nicht, denn Thomas hatte schon eine besondere Art, die Menschen für sich zu gewinnen. Und mein professionelles „Sie“ kippte bald in ein vorsichtiges „Du“. Wir führten manch tiefergehendes Gespräch, vor allem im Nachtdienst, wenn alle schliefen und Thomas noch viel zu erzählen hatte. Der gemeinsame Musikgeschmack löste heiße Diskussionen aus über Bands, wie sie mal waren, was sie jetzt machen und ob das so gut ist. Wir wären die perfekten Musikmanager gewesen. 😁
Er war ein „Böhse Onkelz“ Fan, nein, gefühlt der größte Fan, und so versuchten wir, bei der Band vorzufühlen, ob vielleicht mal der Besuch eines Bandmitglieds oder auch ein Zoom Meeting für Thomas machbar wäre. Leider war es das nicht. Gesagt haben wir ihm das aber nicht. Er sollte nicht zu enttäuscht sein.
Zu Nikolaus schlurfte er dann mit Weihnachtspantoffeln in grün und rot und kleinen Glöckchen dran durchs Hospiz. Bevor er um die Ecke kam, war er bereits zu hören und sorgte damit einfach für gute Laune und viel Lachen. Und SEIN Lachen … das war aus allen anderen deutlich heraus zu hören.
Weihnachten war auch eins seiner Ziele, welches er jedoch nicht mehr so erleben konnte, wie er sich das gewünscht hätte. Zu groß waren zwischendurch die Schmerzen, zu schwach mittlerweile sein Körper. Es wurde ein ruhiges Weihnachtsfest.
Letzte Reise
Jede-/r litt still mit Thomas mit, so mein Eindruck. Freunde und Familie sowieso, meine Kollegen und Kolleginnen und ich ebenso. Wir wollten ihm eine ruhige und schmerzfreie letzte Reise ermöglichen, jede-/r gab alles, um dieses letzte Ziel zu erreichen für ihn.
ALLE warfen ALLES in die Wagschale und so begleiteten wir Thomas bis zuletzt. Als es dann soweit war und Thomas verstarb, wirkte es irgendwie surreal. Der sonst so lebendige und scherzende Thomas, lag still und ruhig, mit einem Lächeln im Gesicht als meine Kollegin und ich ihn mit dem Song „Auf gute Freunde“ von den Onkelz laut verabschiedeten.
Beide weinten wir still, Arm in Arm.
Selten hat mich ein Bewohner so tief berührt. Selten haben Freunde und Familie eines Bewohners uns so das Gefühl gegeben, ein Teil dieser Familie zu sein.
Umso schwerer fällt es, diesen Menschen gehen zu lassen, trotzdem dies ein Teil unserer Arbeit ist. Ich lasse selten zu, dass mir Bewohner emotional so sehr nahe kommen. Das wäre nicht gut für mich selber und meine weitere Arbeit. Bei Thomas blieb mir nichts anderes übrig, als mal eine Ausnahme zu machen. 🤷🏻♀️
Machs gut, Thomas! Rock den Himmel oder Walhalla, oder wo auch immer du bist! 🎸
Bild von K-H. Leuders auf Pixabay
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15 thoughts on “Thomas”
So schöne Worte..
Ich danke dir so sehr
Sowas von gerne! ☺️
Wir haben Thommy besucht wir kannten ihn einige Jahre um so schmerzlicher das ich leider nie persönlich kennenlernen konnte ihn dann dem Tode nahe als Bruder in die Arme genommen zu haben aber diesen Abschied wollte ich mir und meine Freundin nicht nehmen lassen , so viel Mühe sich die Menschen da geben Menschlichkeit zu geben und in den schwachen Momenten auch Trost zu spenden das höchste Gut ist die Menschlichkeit Thommy war eine echte Marke ein Mensch mit einer unglaublichen Persönlichkeit und selbst sein viel zu frühes Ende hat er genommen und immer mit positiver Energie versucht es uns die wir seine Freunde sind und waren leicht zu machen das unvermeidliche zu sehen und zu akzeptieren
Bruder Thommy Rock Valhalla bis wir uns wiedersehen und vielen Dank für alles was ihr ihm an guten getan habt
Danke für die wertschätzenden und liebevollen Worte! 🥹
Wieder ein toller Beitrag!
Danke dafür!❤️
😘
Ruhe in Frieden mein Freund. 🕯❤️
Liebe Tamara,
ein großes Dankeschön auch an Dich für Worte wie sie wohl kaum schöner, intensiver und nachfühlbarer zum Ausdruck gebracht werden können.
In diesem Beitrag auch sehr persönlich.
Tommy wie wir ihn auch nennen durften wird sicherlich noch lange in uns „wirken“ und ebenso seine „Weggefährtin“ welche für mich an dieser Stelle, einfach nicht wegzudenken ist.
So ein Typ er war, so hat er seinesgleichen um sich gefunden. Es hat mich gefreut ihn und seinen Anhang zu begleiten, das Lachen wie das Weinen gemeinsam zu teilen.
In love, peace and harmony!
Laila
♥️
Ich habe damals auf FB über seine Liebe zu Böhsen Onkelz gelesen und daß er eine Karte für ihre Konzerte im August hat. Bis August war es noch soooo viel Zeit und auch ich bin eine Palliativschwester. Also habe ich auch eine Mail an die Band geschickt mit der Frage,ob man da etwas schon eher machen könnte. Leider nie eine Antwort bekommen und jetzt lese ich, ihr habt es auch versuchrt ohne Erfolg :-(. Schade…
Das ist es in der Tat. Wenigstens haben wir noch eine Antwort bekommen. Wie schön zu sehen, dass sich auch Menschen für andere einsetzen, ohne ihn oder sie zu kennen. Danke dafür, liebe Magda!
Morgen sind es genau 8 Wochen das du die Himmelsleiter hochgegangen bist..
Es vergeht kein Tag an dem ich nicht an dich denke..
Du fehlst mir so sehr 😪
Du hast in deinem Brief an mich geschrieben..
Das du immer der hellste Stern am Himmel bist und über mich wachst..
Ich schau jeden Abend hoch und rede mit dir.
Danke das du mir meinen Weg gezeigt hast..Den ich jetzt gehen werde..
Denn ich weiss..Das du immer bei mir und unserer kleinen Familie bist.
Die Liebe bleibt ❤️❤️
♥️
Jetzt sind es schon 4 Monate das Thommy gegangen ist..
Er fehlt jeden Tag..
Es heisst..
Zeit heilt alle Wunden..
nichts heilt..Es tut weh wie am ersten bzw letzten Tag..
Nur weiss ich auch das es dir jetzt besser geht..
Das ist etwas was mich beruhigt
Ich vermisse dich so sehr..
Der Schmerz wird nie ganz vergehen, aber er verändert sich und dann ist es möglich, mit viel Liebe und Wärme auf die Vergangenheit zu schauen. Fühl dich fest gedrückt!