
Neulich in Berlin
An einem wunderbaren Dienstag in den letzten Wochen habe ich mich auf den Weg gemacht um eine meiner langjährigsten Freundinnen zu besuchen. Und zwar in Berlin.
Sie hatte Konzertkarten für ein Pearl Jam Konzert organisiert. Wie bei so vielen Konzerten, geplant eigentlich vor zwei Jahren, pandemiebedingt immer wieder verschoben. Vor dreissig Jahren haben wir zusammen diese Band das erste Mal erleben dürfen und nun hatten wir fast auf den Tag genau die Möglichkeit, sie nochmals zu sehen.
Vorfreude
Die Vorfreude war so gross. Wir schwelgten in Erinnerungen während eines leckeren Frühstücks und konnten den Abend kaum erwarten.
Eine andere Freundin kam kurzfristig noch dazu und so machten wir uns zu dritt auf den Weg zur Waldbühne. Ich war vorher noch nie dort und dann allerdings ganz schön beeindruckt. 😳
Der Einlass war schnell und problemlos. Wir hatten noch viel Zeit uns ein schönes Plätzchen plus Getränke zu besorgen.
Wir bewunderten die Waldbühne, verfolgten, wie sich langsam die Ränge füllten, welch schöne Akkustik hier herrschte.
Nebenbei erzählt
Und dann erzählte mir meine Freundin eine Geschichte, so ganz nebenbei, von einem Menschen, der sich vor zwei Jahren ein Ticket für das Konzert gekauft hat, während der Pandemie schwer an ALS erkrankte und nun versucht hatte, sein “normales“ Ticket in ein Ticket für Gehandicapte umzutauschen.
Die Geschichte ging durch die Presse, vielleicht hat es der ein oder andere verfolgt.
Und nur dadurch, dass seine Frau an die Öffentlichkeit ging, war es letztlich möglich, doch noch einen rollstuhlgerechten Platz zu bekommen.
Als die Band das Drama mit bekam, beschloss sie , diesen schwerkranken Menschen AUF der Bühne am Konzert teilhaben zu lassen.
Eddie Vedder begrüsste ihn und seine Familie mit berührenden Worten und kurze Zeit war dieser schwerkranke Mann der Mittelpunkt des Konzertes, mit eigener Fangemeinde. 🥰
Glück
Das Glück, das dieser Mann und seine Familie in diesem Moment empfunden haben, war ihnen allen ins Gesicht geschrieben. So unglaublich viel Freude spiegelte sich dort. Glück in seiner reinsten Form.
Mir ging das Herz auf, als ich das beobachten konnte und gleichzeitig liess mich diese Geschichte nicht mehr los und viele Fragen gingen mir durch den Kopf:
Fragen über Fragen
Wie es sich wohl anfühlt als Betroffener, zurückgewiesen zu werden bei diesem einen letzten Wunsch, den man noch hat ?
Wieviel Kraft kann ein Mensch dann noch aufbringen um sein Ziel zu erreichen ?
Sind den Veranstaltern tatsächlich die Hände gebunden, bei einer solchen Entscheidung ?
Und wenn ja, wie fühlt es sich als Entscheidungsträger an, solch eine Bitte abzuschlagen ?
Kann man sich selbst noch im Spiegel anschauen ?
Ein Versuch, Antworten zu finden
Wie es sich anfühlt, als Betroffener, bei einer eigentlich so einfachen Anfrage zurückgewiesen zu werden, kann niemand nachempfinden, dem es nicht ähnlich erging.
Aber ich kenne das, wenn ich zurückgewiesen werde, bei einem mir wichtigen Anliegen. Ich nehme das sehr persönlich, frage mich, was habe ich falsch gemacht und bin einfach niedergeschmettert.
Und das etwa mal tausend genommen, so stelle ich mir das Gefühl vor, wenn mein letzter Wunsch, mein LETZTER Wunsch, scheinbar nicht erfüllt werden kann.
In mir würden sich Hoffnungslosigkeit, das Gefühl von Ungerechtigkeit und Wut breit machen.
Ich weiss nicht, wie es diesem Menschen erging, sicher spielte aber auch das ein oder andere Gefühl eine tragende Rolle.
Nun hatte er das grosse Glück, eine starke Familie und Freunde an seiner Seite zu haben, die alles in Bewegung gesetzt haben, um ihm diesen Wunsch noch erfüllen zu können.
Zumal ja ein Ticket vorhanden war, welches lediglich umgewandelt werden musste.
Das wiederum scheint dann der Casus Knaxus gewesen zu sein. Denn der Veranstalter und auch die Betreiber der Waldbühne sowie die Senatsverwaltung sahen sich nicht in der Lage, das Ticket in ein Ticket für Gehandicapte zu tauschen, da dass Kontingent erschöpft war. (Quelle: taz)
Zur Erklärung: Es passen etwa 22000 Menschen in die Waldbühne und 10% sollten dann für Gehandicapte vorgehalten werden. In diesem Falle also etwa 220 Plätze. Es gab lediglich 12 Plätze.
Und ich fragte mich dann wiederum, wie man als Betreiber, Veranstalter oder Mitarbeiter der Senatsverwaltung so lapidar sagen kann: “ Nicht zu ändern!“ 🤷🏻♀️
Wo bleibt die Empathie, die Menschlichkeit, der Wille, jemandem seinen letzten Wunsch zu erfüllen?
Wie unnahbar ist man selber geworden ?
Wie genau dies zustande kam, kann ich nicht sagen. Trotzdem denke ich, wenn man jemandem irgendwie helfen kann, sollte man alle Mittel, die einem zur Verfügung stehen, nutzen.
In weitestem Sinne ist auch dies palliativ.
Und wenn nicht an oberster Stelle, wo denn dann?
Wunscherfüllung
Durch den Artikel dann in der taz und die Geschichte dahinter, wurde es dann endlich möglich, dass ein schwer kranker Mensch sich seinen letzten Wunsch erfüllen konnte.
Und dank der Band Pearl Jam wurde es ein unvergessliches Erlebnis, wie es sein sollte, wenn es doch wahrscheinlich das Letzte ist.
Diese Geschichte treibt mich immer wieder um und oft gerate ich in Diskussionen darüber.
Ich weiss aber, dass sie dieses Mal ein sehr glückliches Happy End hatte! ♥️
Quellenangabe Foto © virtosmedia, 123RF Free Images
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2 thoughts on “Neulich in Berlin”
Ein Text voller Gedanken, wie nur du sie niederschreiben kannst…
Danke, das bedeutet mir sehr viel 😘