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Lebensmut

Lebensmut

17. April 2023 tamara Comments 0 Kommentare

Ich möchte gerne von einer Dame erzählen, die mich ebenfalls tief im Herzen berührt und beeindruckt hat.

Sie war an ALS erkrankt, bereits seit 2004. Da wurden die ersten Symptome beobachtet, ohne dass es dazu eine Diagnose gab. Mit dem Verkrampfen der Finger nahm alles seinen Anfang.

Sie und ihr Mann waren beide als Ärzte tätig und mussten vermutlich nicht viele Worte verlieren über das, was noch kommen sollte.

Genau weiß ich es aber nicht. Denn diese Zeit, bis sie dann nur noch im Rollstuhl mobil seine konnte, war noch von alltäglichen Dingen bestimmt. Sie arbeitete weiter als Ärztin, nahm Veränderungen im eigenen Bewegungsablauf wahr, schien aber keine Notwendigkeit der weiteren Intervention zu sehen. Sie lebte erstmal weiter wie bisher.

Diagnose ALS

Bis eben eines Tages dann doch die Diagnose ALS gestellt wurde. Es folgten die ein oder andere Reha Maßnahme, Urlaub mit Ehemann und Familie, später auch mit der eigenen Betreuerin im Gepäck.

Über die Jahre verschlechterte sich der Zustand nur langsam, und sie genoss das Leben weiterhin mit seinen kleinen Auszeiten.

Sie und die Familie passten sich an. Was ging, wurde gangbar gemacht, was nicht, eben nicht.

Schließlich äußerte der Spezialist für diese spezielle neurologische Erkrankung eine durchschnittliche Überlebenszeit für sie von 49 Jahren! 🤔

Jede Therapie oder auch jedes Hilfsmittel lehnte sie ab. Bis auf den Rollstuhl war doch noch soviel möglich. Und anscheinend ja auch noch Zeit!

Und plötzlich wurde alles innerhalb kurzer Zeit dramatisch schlechter. Geplant war eigentlich eine erneute Reha Maßnahme, welche sie nicht mehr antreten konnte.

Die Beine wollten gar nicht mehr so wie sie, die Arme entwickelten eine Spastik, waren nicht mehr kontrollierbar. Der Kopf fiel einfach nach vorne, konnte von ihr selber immer weniger fixiert werden.

Und dann fiel die Sprache weg!

Ein Kommunikator war im Vorfeld nicht angeschafft worden. Also behalf sich die Familie mit einem Tablet, sie nickte beim richtigen Buchstaben und kreierte so ihre Sätze.

Bewegungslosigkeit und Lebenswille

So lernte ich sie kennen: nicht mehr in der Lage sich eigenständig zu bewegen, nicht mehr in der Lage zu sprechen. Nur „Ja“ oder „Nein“ war noch gut zu unterscheiden.

Ihr Mann erzählte uns von ihren Lieblingsgetränken und Mahlzeiten, wie diese zu verabreichen seien, welche Besonderheiten beim Lagern zu beachten sind oder bei der Medikamentengabe.

Und sie? Ein unbändiger Willen, trotz aller Widrigkeiten, zu leben, war deutlich zu spüren in ihrer Nähe.

Sie hatte einen großartigen Humor. Wir hatten soviel Spaß bei der täglichen Pflege. Oft dachte ich, ich gebe den Alleinunterhalter. Dem war aber nicht so. Sie verfolgte meine Sätze genau und auch meine Mimik und Gestik. Und das tat ich umgekehrt genauso.

Manchmal verstanden wir uns auch ohne Worte.

So oft haben wir gelacht. Vor allem dieses Lachen war wunderschön. Alles an ihr strahlte dann: die Augen, der Mund, die kleinen Fältchen, die ganze Frau eben.

Und ich setzte alles daran, sie wenigstens einmal am Tag zum Lachen zu bringen.
Manchmal auch ungewollt, wenn ich zum Beispiel nach dem Duschen fluchte, weil meine Füße so furchtbar nass geworden waren, dass ich meine Socken über die Heizung hängen musste.

Wenn ich morgens so müde war, dass ich mich ständig verhaspelte beim Sprechen.

Oder wenn morgens auf ihrem Lieblingssender, dem Deutschlandfunk, klassische Musik gespielt wurde, der ich absolut nichts abgewinnen konnte und sie meinen verzweifelten Blick sah. Gnädigerweise durfte ich dann das Programm wechseln. 😅

Ihr ungebrochener Lebensmut war trotz dieser Einschränkungen allgegenwärtig. Sie hielt sich auf dem Laufenden, was das Weltgeschehen anging. Über das Radio. Hörbücher waren das neue Lesen.

Sie hatte weiterhin ihren eigenen Kopf und konnte dies irgendwie immer zum Ausdruck bringen. Nicht immer auf charmante Weise, aber eben selbstbestimmt. Und sie wurde auch nicht müde darüber.

Oft habe ich mich gefragt, wie das möglich ist, nicht gänzlich den Lebensmut zu verlieren mit all den Verlusten, die zu bewältigen waren. Der stetige Abschied von allem, was einen ausgemacht hat, was mal normal war.

Fragen

Für mich unvorstellbar. Ich kann nicht mal ansatzweise sagen, was dies mit mir machen würde. Wäre das Leben für mich dann noch lebenswert? Würde es mir reichen, dass mir die Wünsche von den Augen abgelesen werden, ich aber die ganze Zeit das Gefühl von Ausgeliefertsein hätte?

Ich nicht sagen kann, dass da gerade etwas falsch gedeutet wurde, es aber nicht selbsttätig korrigieren kann?
Leider konnte sie mir nicht sagen, was sie dennoch am Leben festhalten ließ und wie sie es geschafft hat, das veränderte Leben so zu nehmen, wie es war und zu genießen.

Jedoch war es auch deutlich zu spüren, als der Lebensmut sie verließ. An dessen Stelle traten große Traurigkeit, lautes Weinen, großer seelischer Schmerz und der Wunsch, für immer einzuschlafen.

Zum Glück blieb ihr dies nicht lange verwehrt, denn auch auf ihrem letzten Weg gab SIE das Tempo vor.

In Erinnerung bleibt sie mir als starke Persönlichkeit, die nicht so schnell aufgibt, die alles, was das Leben zu bieten hat, in sich aufsaugt, jeden Moment zu einem Besonderen macht. Diese Frau, mit diesem wunderschönen Lachen, das jeden Raum erfüllen konnte.

Und die dies auch dort, wo sie jetzt ist, sicher nicht ändern wird. 🌺

Quellennachweis Foto: © virtosmedia, 123RF Free Images

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