
Kleine Abschiede
Gerade jetzt in der Osterzeit tritt Sterben und Tod nochmal mehr in den Fokus der Gesellschaft.
Der Karfreitag und der Ostersonntag lassen uns teilhaben am Sterben und der Wiederauferstehung Jesus. Das bedeutet aber auch Abschied und große Freude kurz hintereinander. So steht es in der Bibel geschrieben.
Im wahren Leben sind Sterben und Tod verbunden mit großem Abschiedsschmerz, weniger mit einem freudvollen Gefühl. Und die meisten denken dabei an die letzten Stunden eines geliebten Menschen.
Wann fängt Abschied an?
Aber fängt Abschied nicht schon viel früher an? Sowohl für die betroffene Person als auch für die Angehörigen?
Für den oder die Betroffene vielleicht schon mit der Diagnose einer schweren Erkrankung.
Nichts ist in dem Moment noch so wie es vorher war. Plötzlich steht alles Kopf. Und es beginnt der Abschied von dem Leben, dass man vorher hatte und lebte.
Langwierige Therapien stehen vielleicht an. Der oder die Betroffene können in dieser Zeit nicht mehr arbeiten oder ihren Hobbys nachgehen. Abschied vom Arbeitsleben, eventuell nur vorübergehend, aber zunächst schon. Abschied von einem geliebten Hobby, da der Körper die nötige Kraft nicht mehr aufbringen kann.
Freunde fühlen sich hilflos, können mit dieser Situation nur schwer umgehen, ziehen sich zurück, können nicht darüber reden, ihre Ängste nicht benennen. Abschied von Freundschaften?
Schreitet die Krankheit fort, lassen vielleicht Fähigkeiten nach oder eben auch die Kraft, Dinge selbst zu tun. Vieles fällt schwerer, manches lässt sich nicht mehr alleine bewerkstelligen. Entscheidungen können nicht mehr selbstständig getroffen werden. Abschied von der Selbstbestimmheit, von der Selbstständigkeit, von einem Stück Persönlichkeit, von dem, was den Menschen ausgemacht hat?
Viele wünschen sich, zuhause ihre letzte Zeit verbringen zu können. Umgeben von seinen Lieblingsmenschen, in den eigenen Wänden, mit Dingen, die einem wichtig sind, mit Erinnerungen an das „alte“ Leben.
Ist dies aber so nicht möglich, steht vielleicht ein Umzug ins Hospiz an oder in andere Einrichtungen. Und wieder steht ein Abschied bevor von geliebten Dingen, Abschied von Zuhause.
Immer wieder
In dieser ganzen Zeit, die bis dahin vergeht, müssen sich auch die An- und Zugehörigen immer wieder neu verabschieden. Vom gemeinsamen Leben, von Freundschaften, die die Situation nicht tragen können, von dem geliebten Menschen, wie er vorher war, vielleicht auch vorübergehend von dem gelebten Alltag, vom Zusammensein. Erfinden sich neu in einer anderen Rolle als zuvor.
Es ist also nicht nur dieser eine „große“ Abschied am Ende eines Lebens. Und ich frage mich, wie verkraftet man so viele kleine Abschiede? Die doch immer wieder ein Wegweiser sind, welche Richtung das Leben gerade einschlägt.
Neue Situation, neue Wege
Vielen ist es gar nicht bewußt, wieviele Abschiede sie durchleben. Es ist eher ein Anpassen an die aktuelle Situation. Immer wieder aufs Neue. Und das birgt wiederum soviel Schönes. Neue Ideen, neue Perspektiven, neue Freundschaften.
Es gibt diesen Satz: „In jedem Abschied liegt ein Neuanfang“ und ich habe oft den Eindruck, dass das genau SO stimmt, auch im palliativen Bereich.
Die Menschen, die ich kennenlernen und begleiten durfte, waren sich manchmal sehr bewußt ob der vielen kleinen Abschiede, und suchten einfach neue Möglichkeiten, ließen sich nicht so sehr in die Tiefe ziehen.
Oder sie haben so manchen Abschied gar nicht als solchen empfunden, mehr als Chance gesehen, andere Wege zu gehen. Geht das eine nicht, geht eben das andere. Und immer unterstützt von wundervollen Menschen an ihrer Seite.
Etwas mehr von allem
Es gibt aber eben auch diejenigen, die sehr unter den vielen Abschieden leiden und damit hadern. Es nicht schaffen, neue Wege zu suchen, wenig Unterstützung haben.
Diese Menschen benötigen einfach von allem etwas mehr. Etwas mehr Begleitung, etwas mehr Einfühlungsvermögen, etwas mehr Verständnis, etwas mehr Dasein, etwas mehr Zugewandtheit. Durch Lieblingsmenschen, Freunde, Palliativfachpersonal, Seelsorge und vielen anderen. Je nachdem, wen dieser Mensch gerade braucht und auch bei sich haben möchte.
Das kann die vielen kleinen Abschiede begleiten und erleichtern, ihnen die Schwere nehmen, einen neuen Weg oder eine neue Sichtweise eröffnen sogar?
Einen solchen Weg gehen zu müssen, ist unglaublich schwer. Und ich ziehe vor allen den Hut, die diesen beschreiten und begleiten, durch alle Höhen und Tiefen, mit allen kleinen Abschieden, die dazu gehören. Abschiede, bewußt gelebt oder unbewußt, angenommen oder durchlitten. Unterstützt jedoch von hoffentlich wunderbaren Menschen an ihrer Seite.
“In jedem Abschied liegt ein Neuanfang“
(Dieser Satz wurde immer wieder angepasst. Originalzitat von Miguel de Unamuno „In jedem Ende liegt ein neuer Anfang“)
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von Herzen ein frohes und gesegnetes Osterfest 🐣
Bild von myungho lee auf Pixabay
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2 thoughts on “Kleine Abschiede”
Wieder mal ein toller Text! Immer passend mit viel Wahrheit, die zum Nachdenken anregt!
Dankeschön! 🥰