
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Oft wird die Arbeit im palliativen Bereich mit viel Traurigkeit, Betroffenheit und schmerzvollen Erfahrungen in Verbindung gebracht.
Eine gewisse Schwere scheint immer ein Begleiter zu sein in der Vorstellung vieler.
Dabei ist palliativ so viel mehr. Eine neue Leichtigkeit kehrt ein, wenn man als Betroffene/-r einfach loslassen kann, nicht nur im Sterben. Bereits vorher lässt sie Betroffene entspannen, ruhiger werden, relaxter reagieren.
Und dann sucht sich der Humor ein Plätzchen oder es entsteht eine Sanftheit allem gegenüber, manchmal auch ein “is mir egal“ Gefühl. Dann ist die Luft erfüllt von herzhaftem Lachen, feinem oder auch schwarzem Humor, auch mal unter Tränen.
Das sind ausgezeichnete Voraussetzungen, die letzte Reise mit einem guten Gefühl anzutreten, bewusst oder unbewusst.
Lustiger und leiser Humor
In unserem Hospiz gibt es ein Buch mit Dönekes ( lustigen Erinnerungen). Dort sammeln wir solche kleinen Geschichten, die ich hier gerne erzählen möchte.
So betrachtet eine Dame, nachdem die Fusspflege bei ihr war, ihre Füsse und ist ganz verzückt: “Jetzt habe ich so schöne Füsse, da ist es viel zu schade, wenn sie verbrannt werden!“ und schaut erwartungsvoll zu meiner Kollegin.
Stille…. Und dann müssen die beiden so lachen! 😁
Bei einer anderen Bewohnerin hat sich der Zustand so verschlechtert, dass die Angehörigen informiert wurden und nun im Zimmer der Bewohnerin rumwuseln, um IRGENDWAS zu tun.
Es wird ausserdem überlegt, wer über Nacht da bleiben kann. Eine gewisse Hektik macht sich breit.
Darauf reagiert die Bewohnerin trocken mit dem Satz: “Entspannt euch mal, morgen bin ich auf alle Fälle noch da!“
Die Gesichter der Angehörigen lassen sich nicht beschreiben.☺️ Doch ab da entspannte sich die Situation tatsächlich.
Eine Bewohnerin schaut versonnen aus dem Fenster und betrachtet den auf der Terrasse stehenden Weihnachtsbaum mit roten Kugeln. Dann wendet sie sich an meine Kollegin: “Es wird nun aber langsam Zeit, dass wir die Tomaten ernten. Sie sind ja schon überreif.“
😳 Ähm,….ja, Frau …… 😅
Ein Bestatter kommt, um einen Verstorbenen abzuholen, irrt sich jedoch im Zimmer, steht mit dem Sarg in der Tür einer Bewohnerin.
Sie, ganz schlagfertig und prompt : “ICH bin noch NICHT dran!“ ☝🏻
Weisse Bescheid !
Eine Dame liegt im Bett, sie trägt wegen ihrer Inkontinenz einen Inkontinenzslip.
Einmal fragt sie die Kollegin: “Wieso habe ich diese Gummihose an?“ Pause….. Dann antwortet sie selbst, in einem sehr ernsten Ton: “Ach ja, es regnet draussen.“ Und die Schwester stimmt ihr eifrig nickend zu. Beide prusten los, die Stimmung ist den Rest des Tages ausgezeichnet.
Ein Bewohner hat den Fernseher an und die Kollegin bestaunt in der aktuellen Werbung eine gut aussehende Frau.
“Wenn du mir meine Brille zurückgibst, könnt ich auch gucken!“ ist die lapidare Antwort.
Humor hilft
Ich erzähle diese Geschichten nicht, um jemanden vorzuführen oder mich lustig zu machen. Sondern sie sollen zeigen, dass viel gelacht wird, über sich, über andere, auch über den Tod. Humor begleitet uns in allen Lebenslagen, hilft, Dinge zu verarbeiten und manches leichter zu nehmen.
Auf der Palliativstation habe ich vor vielen Jahren einen jungen Mann begleitet. Erst neunzehn Jahre alt mit einem fortgeschrittenem Tumorleiden.
Seine Familie hat in den Tagen vor seinem Tod noch ganz viel Zeit mit ihm verbracht, innige Momente genossen. Seine Mutter war jedoch seine Lieblingsperson und Tag und Nacht vor Ort. Sie hatte ein Bett neben seinem Bett, ließ ihn nie alleine.
Nun ist er dann in einem meiner Nachtdienste verstorben, ruhig, entspannt, friedlich hinüber geglitten.
Seine Mutter schlief neben ihm und hat es nicht mitbekommen. So weckte ich sie und sagte ihr, dass ihr Sohn soeben verstorben sei. Ein wenig schlaftrunken noch, sagte sie: “ So. Da hat er sich einfach so vom Acker gemacht, ohne mir Bescheid zu geben!“ Mir schossen die Tränen in die Augen und gleichzeitig musste ich lächeln wegen ihres trockenen Kommentares. Ähnlich erging es der Mutter. Ich nahm sie in den Arm und sie streichelte ihren Sohn mit einem Lächeln im Gesicht.
Könnten wir doch dem Humor mehr Raum geben, gerade auf der letzten Reise.
Er gilt jedoch oft als unangebracht in einer solchen Situation. Dabei kann er etwas Leichtigkeit versprühen, etwas von der Schwere des Moments nehmen, helfen, verdrängtes an die Oberfläche zu holen oder sich selbst nicht gar zu ernst zu nehmen.
Nicht immer passt Humor. Auch dafür sollten wir feine Antennen entwickeln.
Jemand der sein ganzes Leben ein sehr ernster Mensch war, wird an seinem Lebensende nicht anfangen ein Feuerwerk an Witzen zu zünden. Das braucht es auch nicht. Ein kleines Lächeln, ausgelöst durch eine Anekdote oder Erinnerung, kann ebenfalls etwas von der Schwere nehmen.
Oder eben der flache Witz, der Schenkelklopfer oder der trockene Humor aus dem Norden Deutschlands, der Galgenhumor. Eine kleine lustige Bemerkung am Rande oder eine humorvolle Anekdote beim Abschied ins Ohr geflüstert.
Alles kann, nichts muss.
Gut hinsehen
Immer gilt aber, sehr gut hinzuhorchen und zu sehen, die eigenen Antennen auszufahren und auf feinste Schwingungen zu achten.
Passt das zu dem Menschen und der jeweiligen Situation, oder halte ich mich lieber etwas zurück.
Viele Menschen machen es einem leicht, indem sie selber viel Ihres ganz eigenen Humors versprühen, bei anderen dauert es ein wenig, andere haben einfach keinen. 🤷🏻♀️
Epikur (342/41-271/70 v.Chr.) hat damals schon schelmisch angemerkt: “ Der Tod ist für uns ein Nichts.[…] Solange wir da sind, ist er NICHT da, und WENN er da ist, sind WIR nicht mehr da.“
In diesem Sinne…
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